Im Moment befinde ich mich in Amriswil und verbringe viel Zeit mit Physiotherapie und Training. Obschon in dieser Woche die zweite Saisonhälfte mit dem Weltcup in Winterberg begonnen hat und mein Team (Michi Vogt und Co.) am Start ist, werde ich nicht dabei sein. Wie es dazu kam und wie diese Saison für mich nun weitergeht, all das erzähle ich Euch in diesem Newsletter.
Gestartet haben wir in diesem Jahr mit zwei Wochen in Altenberg. Ich mag diese Bahn. Ich würde schon fast behaupten, dass das Eis eines der weltbesten ist. Auf jeden Fall hat es eine sehr gute Qualität. Neben der Bobbahn sind auch die Trainingsmöglichkeiten und Infrastrukturen gut. Der Kraftraum und die Indoor-Sprintanlage aus DDR-Zeiten erinnern an frühe Zeiten, sind aber immer noch bestens erhalten. Man kann sich dort optimal auf die Saison vorbereiten und an seiner Athletik arbeiten. Nach vielen Trainingsfahrten standen am Ende der Woche in Altenberg die Selektionsrennen von Swiss Sliding an. Sandro Michel war noch zuhause, deshalb übernahm ich seine Position auf der Vier und schob den Bob gemeinsam mit Silvio Weber und Cyril Bieri Richtung Ziel. Nach dem ersten Lauf lagen die drei schnellsten Teams: Friedli, Vogt und Follador noch innert wenigen Hundertstel. Im zweiten Lauf legten wir zu und konnten das Selektionsrennen deutlich für uns entscheiden.
Weiter ging es nach Winterberg. Die Bobs und all unser Werkstattmaterial luden wir in unseren Transporter und reisten quer durch Deutschland. Leider empfing uns vor Ort in Winterberg keine Eisbahn, sondern eher ein fliessendes Gewässer. Denn kurz vor unserer Ankunft stieg die Kühlpumpe aus und die Bahn musste geschlossen werden. Somit reisten wir nach einem kurzen Aufenthalt in Winterberg zurück nach Hause und bereiteten alles für den sechswöchigen Überseetrip vor.
In Whistler angekommen mussten wir auch hier mit einigen Schwierigkeiten kämpfen. Die Bobs kamen vier Tage zu spät an, dies kostete uns einige wichtige Trainingsfahrten auf der schnellsten Bobbahn der Welt. Als die Bobs endlich da waren, erwischte mich Corona und ich lag für eine ganze Woche krank in einem Einzelappartement. Meine Teamkollegen konnten sich in der Zwischenzeit gute Resultate im North America Cup sichern, doch auch sie wurden nicht verschont. Im Zweierrennen stürzten Michi und Cyril. Dabei zog sich Cyril eine Rippenprellung zu und war damit für die kommenden zwei Wochen out.
Rechtzeitig für den Weltcup kam ich gesund aus meiner Quarantäne und durfte zehn Tage später das Viererrennen auf der Position 2 bestreiten, da Cyril noch mit der Rippe zu kämpfen hatte. Mit schnellen Startzeiten und guten Fahrten fuhren wir der Schweiz einen 4. Rang ein. Wer von Euch schon einmal in Übersee war, weiss das nach dem Rennen direkt Material und Schlitten in die Container verladen werden, damit danach die Bobs per LKW zur nächsten Station gebracht werden können. Unsere nächste Station hiess in diesem Fall Park City, rund 40 Minuten von Salt Lake City entfernt. Ausser Michi, Simon Friedli und mir waren noch keine Teammitglieder unserer Delegation jemals in Park City. Darum machten wir nach unserer Ankunft zuerst einen kleinen Rundgang und inspizierten unsere nächste Station. Park City ist eine der schönsten Stationen im Bobweltcup. Ähnlich wie St.Moritz liegt Park City hoch oben in den Bergen, meist herrscht schönes Wetter und die Weitsicht in die wüstenähnliche Landschaft ist genial.
Wie an allen Stationen hatte jedes Team auch hier eine grosse Wohnung mit Whirlpool, mehreren Etagen, einer eigenen Garage und einem Kühlschrank, welcher gekühltes Wasser und Eiswürfel ausspucken konnte. Solche Wohnungen und Amerikatrips schweissen die Teams zusammen und lassen tolle Erlebnisse entstehen. In Park City war es mein Job der Ersatzmann zu sein. Neben dem Kochen für das Team, was meist so oder so meine Angelegenheit ist, fuhr ich einige Trainings, pflegte das Material und stellte die Bobs ein. Am Samstag dann der erste Exploit, im Zweierbob-Rennen standen Sandro und Michi zum ersten Mal in dieser Saison auf dem Podest und sicherten sich den 3. Rang. Genial! Dem Viererbob wurde leider der erste Start zum Verhängnis. Zu langsam war die erste Zeit. Das Team rehabilitierte sich im zweiten Lauf, zeigte eine starke Steigerung am Start und sicherte sich die Laufbestzeit im zweiten Lauf. Damit konnten sich Michi, Cyril, Silvio und Sandro auf den guten 5. Rang vorkämpfen.
Nun ging es wieder ans Verladen. Dieses Mal fuhren wir unser Material mit gemieteten Pick Up`s von der Bahn weg und verstauten es wieder in den Containern. Es stand die letzte Reise an: die Reise nach Lake Placid im Bundesstaat New York.Hier durfte ich noch einmal an den Start gehen, gemeinsam mit Michi, Cyril und Sandro. Lake Placid ist eine etwas «rumpelige» Bahn, es hat viele enge Kurvenwechsel. Dies führt dazu, dass es sich hinten im Schlitten, gerade im Vierer, häufig so anfühlt, als ob man jeden Moment stürzen würde. Jedoch ist dies normal. Auch das eine oder andere Kopfweh aufgrund der schnellen, engen Wechsel gehört dazu.
Nach den vergangenen Wochen wussten wir, dass unser Material und unsere athletische Form gut war. Zudem wussten wir, dass wir mit Michi einen Piloten haben, der weiss, wie man in Lake Placid schnell fährt. Mit diesem Wissen gingen wir überaus motiviert an den Start. Siehe da, nur drei Hundertstel verloren wir auf das schnellste Team am Start, Michi zeigte eine gute Fahrt und wir lagen nach dem ersten Lauf auf Rang 2, nur eine Hundertstelsekunde hinter dem Halbzeit-Ersten Deutschland. Unser Motto war klar, alles in eine Waagschale werfen und voll angreifen. Voll angreifen... Wahrscheinlich wollte ich etwas zu voll angreifen. Beim Einstieg in den Bob kam plötzlich mein Bügel zurück und klemmte mir das Bein ein. Ich kam nicht weg vom Abweiser, rutschte ab und kam mit Glück noch in den Schlitten, jedoch war da schon die erste Kurve und ich sass noch nicht. Es schmiss mich auf den Rücken, raus aus dem Bob. Mit der Hilfe der Nummer vier, Sandro, konnte ich mich am Bob festkrallen. Nach der ersten Kurve zog ich mich hoch und konnte mich in den Schlitten setzten. Schon in diesem Moment wusste ich, dass es damit nichts aus unserem allerersten Podestplatz im 4er-Bob werden würde. Mit diesem Zwischenfall ging zu viel Geschwindigkeit verloren, es resultierte lediglich ein zehnter Rang.
Leider gehören solche Dinge im Bobsport dazu, genau das macht ihn auch aus, doch in diesem Moment war ich einfach schwer enttäuscht, dass ich mein Team um den Erfolg gebracht hatte. Zu meinem Glück stand mein Team die ganze Zeit hinter mir, so wie viele andere Athleten aus anderen Nationen. Am Abend im ZigZag`s, der Bob-Bar in Lake Placid, wurde ich von allen herzlich empfangen und viele stärkten mir den Rücken und meinten: «alleine wieder in den Bob zu kommen, das ist eine Glanzleistung»
Am darauffolgenden Tag, dem Tag des Heimflugs kamen zum ersten Mal die Schmerzen auf. Prellungen, dazu kam, dass mir mein linkes Fussgelenk und der untere Rücken schmerzten. Gleich nach meiner Rückkehr in die Schweiz konnte ich zur Untersuchung und in die Radiologie für ein MRI. Fazit: eine Weichteilprellung am linken Fuss sowie ein gezerrtes vorderes Aussenband und ein gezerrtes Syndesmoseband.
Dies ist der Grund weshalb ich diese Woche noch nicht in Winterberg dabei bin und stattdessen in Amriswil trainiere. Für mich ist eine kurze Reha Phase angesagt, mit dem Ziel ab der kommenden Woche wieder dabei zu sein und so schnell wie möglich fit zu werden für die EM in Altenberg und die Heim-WM in St.Moritz, denn dies waren und sind nach wie vor meine grossen Ziele dieser Saison. Ich will und ich kann diese erreichen.
Ich wünsche Euch allen einen erfolgreichen Start ins neue Jahr und hoffentlich bis bald an der Bobbahn in St.Moritz. Alain
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